August 2015: Dankesbrief von Markus Degen

Meine Lieben.

An Ostern hat die Pfarrei wieder ein Kirchenopfer zugunsten unserer Pfarrei Arapa aufgenommen. Empfangen Sie einen herzlichen Dank für die grossherzige Hilfe an unsere Bevölkerung.

Am 24.Juni haben wir das Fest unseres Kirchenpatrons, Johannes der Täufer, gefeiert. Gerne gebe ich Ihnen einen kleinen Einblick in die Bräuche der Kirchenfeste in den Anden. Wer organisiert die Feste? Freiwillige übernehmen die Organisation und die Kosten der Feste. Nach der Festmesse frage ich jeweils die Anwesenden, wer das Fest für das kommende Jahr übernehmen wolle. Immer meldet sich jemand. Was müssen diese Festverantwortlichen machen? Am Vorabend (Vesper) des Festes müssen sie ein Z’Vieri zubereiten und allen spendieren, die ans Fest kommen (es gibt keine persönlichen Einladungen, also, wer immer dabei sein will, ist herzlich willkommen). Im Haus des Festverantwortlichen bekommen alle eine kunstvoll hergestellte Kerze und beim Einnachten gehen dann alle in Prozession zur Kirche mit brennender Kerze. In der Kirche machen wir eine Betrachtung und beten gemeinsam. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Danach gehen alle auf den Platz vor der Kirche, wo eine Musik dann aufspielt und dann wird getanzt bis spät in die Nacht.

Am Festtag kommen dann alle zur Hl.Messe. Nach der Eucharistiefeier nehmen alle teil an der Prozession durch’s Dorf mit der Statue des Heiligen, der gefeiert wird. Und dann kommt das Mittagessen, das der Festverantwortliche für alle zubereitet. Und nach dem Mittagessen wird wieder getanzt bis spät in die Nacht. El pueblo andino es un pueblo celebrante. (Das Volk der Anden liebt das Festen und Feiern).

Wir haben also unsern Kirchenpatron San Juan Bautista gefeiert. Da kam aber noch ein anderer Heiliger zu Besuch. In einer Nachbarsiedlung feiern sie den Hl.Franziskus von Assisi. Es ist Brauch, dass sich die beiden Heiligen an ihren Festen besuchen. Von 5 Km Entfernung kam Franz von Assisi nach Arapa. Starke Männer tragen die Statue auf den Schultern. Am Dorfeingang wartet die Statue de Täufers auf den Besucher Franz. Gemeinsam ziehen sie dann ein zur Kirche. In der Nähe der Kirche begrüssen sich die beiden. Die Träger der Statuen machen Bewegungen, die ganz lustig aussehen. Sie schwenken die Statuen von Angesicht zu Angesicht. Und beim Einzug in die Kirche machen sie noch  ein Wettrennen, wer zuerst an der Kirchentür ankomme. Wenn Johannes gewinnt, dann gibt es ein gutes Jahr für die Viehzüchter (Johannes hat ein Schäfchen in der Hans, eben, das Lamm Gottes) und wenn Franz gewinnt, dann gibt es ein gutes Jahr für die Landwirtschaft.

Freilich gibt es auch grosse Veränderungen in den Bräuchen. Als ich vor 47 Jahren nach Perú kam, waren die Feste noch recht bescheiden. In den Siedlungen haben die Leute bestimmt, wer Festverantwortlicher sein “musste”. Wenn eine Familie z.B. offensichtlich auf irgendeine Weise reich wurde, haben die Siedlungsbewohner diese Familie verpflichtet, das Fest zu übernehmen, d.h. zu bezahlen. So wurde die Familie wieder auf das Niveau der Gemeinschaft heruntergeholt. Heute haben viele Leute viel Geld, weil sie in den Goldminen arbeiten. Wenn diese Leute freiwillig Festverantwortliche sein wollen, dann geben sie sehr viel Geld aus für das Fest. Sie bringen berühmte Sängerinnen und Sänger zum Fest, lassen Tribünen errichten auf denen Tanzkapellen aufspielen, nicht selten bis zum Morgengrauen. Und dann fliesst auch viel Bier. Ob das noch lange so sein wird?

Meine Lieben, ich wünsche Ihnen allen viele Sommerfreuden und sende Ihnen herzliche Grüsse aus den südlichen Anden von Perú.

Markus Degen

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